WIRRWARR WAR MORGEN - GESTERN IST VORBEI. SEI LEISE DU SCHWEIGST ZU LAUT.

Donnerstag, 30. Juni 2011

Taub

Jeder von uns war schon einmal taub. Jeder von uns hatte Situationen oder Phasen in seinem Leben, in denen er lediglich das hören konnte, was er auch hören wollte. Man versucht den Verstand vor der Wahrheit zu verschließen und lässt die Ohren glauben, dass einzig und allein dass richtig ist, was man sich einredet zu hören. Anders weiß ich es nicht zu beschreiben, doch wenn man dieses Gefühl kennt, dann wird man es auch durch wenige Worte nachempfinden können. In jedem von uns, schlummert in gewisser Weise ein kleiner Rebell, der mit jedem Atemzug darauf wartet, wenigstens einmal zum Vorschein treten zu dürfen. Wir brechen Regeln, halten es für in Ordnung, was wir in diesem Moment sagen, tun, oder denken. Egal ob es richtig oder falsch ist. Es gibt in diesen Augenblicken kein "falsch". Konsequenzen werden irrellevant. Schuldgefühle werden ausgeblendet und erscheinen alles andere als wichtig. Man betäubt die Stimmen, die einen abhalten wollen und erstickt die Vernunft in den imaginären Kissen, die man sich gewaltsam auf die Ohren presst um sicher zu gehen, wirklich nichts hören zu können.



Ein Moment in dem mir die Worte fehlen. Ich weiß gerade selbst nicht so recht, was ich eigentlich ausdrücken möchte. Bin ich glücklich über den Vorfall? Hoffe ich auf weitere Folgen? Reichen mir die eindeutigen Signale, die mein Körper an mich sendet, noch nicht aus? Schwer zu sagen.
Um in die Verworrenheit aus Worten wenigstens etwas Klarheit zu bringen, fange ich wohl am besten mit dem gestrigen Morgen an, als sich besagter Vorfall zugetragen hat. Ich hatte, ausnahmsweise, mehr oder weniger gute Laune, wenngleich ich mir bewusst war, in nur wenigen Stunden das Haus zu verlassen. Ich war mit ihr verabredet, um in die Stadt zu fahren. Wir sehen uns so selten. Für sie, kann ich Opfer bringen. Mein Verstand spielt verrückt, macht mich wahnsinnig, wenn ich an all die Menschen da draußen denke, aber es ist für sie. Sie ist eine der Wenigen die mir geblieben sind - ich setzte sie nicht auf's Spiel. Aber wie dem auch sei - ich ging ins Bad. Umziehen und so weiter. Das alltägliche Nuttenfrühstück war getätigt und Zeit hatte ich an sich noch genug. Plötzlich dieses komische Gefühl im Ohr. Es tat weh, fühlte sich ein wenig danach an, wie wenn beim Schwimmen Wasser hinein gelangt. Ein seltsamer Druck, ein kurzes Piepen, welches nicht lange anhielt und ein Rauschen, dass mich ein bisschen an ein kaputtes Radio erinnerte. Erst dachte ich, es wäre vielleicht tatsächlich nur Wasser, doch an dem Q-Tip, den ich zur Hand nahm, befand sich Blut. Okay - alles klar. Keine Panik, wird schon werden. So wie immer alles "schon werden wird". Das dachte ich, weswegen ich erst einmal nicht weiter darüber nachdachte. Ich wollte den Tag abwarten. Vielleicht würde es von selbst verschwinden. Vielleicht, vielleicht, vielleicht.
Den Tag an sich habe ich ganz gut überstanden, auch wenn das seltsame Gefühl im Ohr nicht verschwinden wollte. Es fühlte sich an, als würde ich mir ein Kissen darauf drücken. Alles klang dumpf, weit entfernt und undeutlich. Ein bisschen mulmig war mir, aber ich wollte weiter abwarten. Sie machte sich Sorgen und ich versprach ihr, zum Arzt zu gehen, sobald ich zu Hause sein würde. Ich wollte vorher nur noch einmal mit meinen Eltern sprechen, die bei meinem Eintreffen allerdings nicht anwesend waren. Sie waren ins Kino gefahren und auch nicht auf dem Handy zu erreichen. Also weiter warten.
Nach einer gefühlten halben Ewigkeit, waren sie dann da. Knappe Worte und ab in die Notfallambulanz. Dort wurden wir allerdings direkt weitergeschickt in eine HNO-Klinik. Also wieder ins Auto - mein Vater fuhr mich - und weiter. Zugegeben, ich hatte wirklich Angst, da ich das Gefühl hatte von Minute zu Minute weniger zu hören. In der Klinik selbst musste ich dann auch nochmal etwa zwanzig Minuten warten, bis jemand Zeit hatte sich mein Ohr anzusehen und mir jegliche Vermutungen meiner Mutter zu bestätigen. Ein Hörsturz, wenn auch nur ein leichter. Genaue Ursachen, kann man dafür nicht festlegen. Vermutlich Stress. Auch eine leichte Verletzung im Gehörgang war vorhanden. Also? Q-Tips vermeiden, Stress vermeiden und ansonsten abwarten. Nach einer kurzen Behandlung war zumindest der seltsame Druck weg, das Rauschen nicht mehr so stark und etwas besser hören konnte ich auch wieder.

Und jetzt? Leichte Schmerzen sind noch da, aber er rauscht nicht mehr und sämtliche Geräusche meines Umfelds klingen weitgehend normal. Trotzdem fasse ich es nicht als Warnsignal auf, auch wenn Mum der Meinung ist, dass ich das sollte. Sie fragte mich ob mir das alles noch nicht reicht, um zu verstehen, dass ich Hilfe brauche. Ich muss nichts verstehen, denn ich habe verstanden. Doch das ändert nichts an meiner Einstellung, an meiner Angst oder Ähnlichem...

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