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Freitag, 24. Juni 2011

Atme Nostalgie

Augen schließen sich. Das eigentlich vorhandene Farbenmeer, dass mittlerweile nicht mehr ist als graue Schleier, verschwimmen immer weiter. Dunkle, schemenhafte Masse. Und dann ist sie da. Die Erinnerung. Nostalgisches Seufzen. Der Lärm des vermeintlichen Lebens ist unerträglich. Der Kopf versucht zu träumen, doch Träume sind schon zu lange nicht mehr das, was sie sein sollten. Man denkt an Dinge die sich tief eingebrannt haben. Man verkrampft. Die schönen Momente werden ausgeblendet, verdrängt, verschluckt. Augen öffnen sich wieder. Panisches Blinzeln ins Leere. Man starrt an die Decke und sucht einen Ausweg. Man fragt sie "Wo war der Anfang?". Gab es ihn? Und wenn nicht, kann es dann überhaupt ein Ende haben? Was nicht begonnen hat, kann nicht enden. Oder doch? Ein dicker Kloß im Hals. Das Atmen fällt schwer. Übelkeit kommt auf und abermals schließen sich die Augen. Wach oder schlafend? Was denn nun eigentlich ..

Heute war der Geburtstag meiner Mutter. Anders als sonst war es trotzdem nicht. Geburtstage spielen, genau wie andere Festlichkeiten - beispielsweise Weihnachten - in meiner Familie keine große Rolle. Sie sind einfach vorhanden und schlussendlich doch nichts besonderes. Meine Eltern sind schon relativ früh aus dem Haus. Das Wetter war gut, anfangs zumindest. Sonnenschein, klarer Himmel, warm. Erst später hat es geregnet. Aber das stört die beiden nicht. Mich auch nicht, so lange ich den Regen von drinnen betrachten kann. Die Zeiten, in denen ich gerne im Regen spazieren gegangen bin, sind schon längst vorbei, allerdings liegt das nicht am Regen. Ich will einfach nicht nach draußen. Selbst wenn ich weiß, dass ich an Orte gehen könnte, an denen ich schon früher immer allein war. Ich hatte meine Ruhe. Niemand der mich anstarrt. Niemand der spricht, der fragt, der schweigt. Einfach niemand. Trotzdem will ich nicht. Dementsprechend hatte ich mich auch heute darauf eingestellt meinen Tag im Bett beziehungsweise vor dem Rechner zu verbringen.
Was das Geburtstagsgeschenk für meine Mutter angeht, war ich nicht sonderlich einfallsreich. Eine Leinwand, ein bisschen Farbe und mal eben versucht etwas zu Stande zu bringen. Eine brennende Schwalbe ist es geworden. Vielleicht nicht unbedingt das beste Geschenk, aber immerhin etwas eigenes - irgendwie persönlich. An sich auch ein annehmbares Motiv für's Tattoo. Aber das ist jetzt etwas anderes. Sie hat sich gefreut und darum ging es mir.

Wie erwähnt waren meine Eltern den halben Tag außer Haus. Ruhe hatte ich aber trotzdem nicht. Mal davon abgesehen, dass ich das ständig klingelnde Telefon gekonnt ignoriert habe, wusste ich nicht, dass meine Oma einen Zweitschlüssel für unsere Haustür besitzt. Wer auf die dämliche Idee kam .. na ja. Nicht, dass ich sie nie sehen wollte. Allerdings ist meine momentane Situation nicht das, was sie sehen will und das was sie fragt, nicht das was ich hören will. Sie fragt schlichtweg zu viel - alle fragen zu viel. Sie weiß nichts von der Schule. Sie jammert, dass sie ihren Freundinnen nichts über mich erzählen kann. Ich antworte "Nichts". Sie schaut schräg. Alles was ich mache, passt ihr nicht. Sie hasst meine Piercings, sie findet mich zu blass, sie findet mich zu dünn, sie findet mich zu düster, sie findet mich zu abweisend. Die Enkel ihrer Freundinnen sind alle so fleißig, so ordentlich, so freundlich. Eine jobt nebenher und hat sich dadurch jetzt ihren Führerschein finanziert. Die andere wurde von den Eltern, bei denen sie babysittet, auf eine Reise nach Australien eingeladen. Und was mache ich? Ich sitze hier und ersticke mich in Worten die kein Gehör finden, weil ich sie nicht aussprechen kann. Ich bin keine Vorzeigeenkelin - nimm das endlich hin. Immerzu setzt sie mich unter Druck. Als kleines Kind sah das nicht anders aus. Immer sollte ich die erste und beste sein. Alles was ich tat war gut, aber nicht gut genug. Überforderung. Und so setzt sich das fort. Ich weiß, dass sie das nicht böse meinte. Es war wahrscheinlich nicht einmal ihre Absicht, weil sie keine Ahnung hatte, was ihre Worte schlussendlich anrichteten. Damals wusste ich selbst noch nicht. Ich war zu jung um es zu verstehen, doch mittlerweile erkenne ich, was es aus mir gemacht hat. Ich habe mir Eigenschaften zugelegt, die sich so leicht nicht mehr los werden lassen. Aber sie weiß es nicht.


Wie dem auch sei. Meine Oma war ja glücklicher Weise nicht lange da. Vielleicht zwanzig Minuten, wenn es hoch kommt. Es kam mir trotzdem wie eine halbe Ewigkeit vor. Als meine Eltern wieder kamen, merkte meine Mutter irgendwie das ich niedergeschlagen war. Sagen wollte ich, wie so oft, nichts. Also habe ich meine Zeit totgeschlagen, bis wir schließlich essen gegangen sind. Ein bisschen Besonderheit muss man dann eben doch in einen Geburtstag bringen.
Mir war schon vor dem Essen schlecht. Mehr als einen Salat habe ich also nicht runter gebracht und ich war froh, möglichst schnell wieder zu Hause zu sein. Zumal wir auch fast wieder gestritten hätten. Mein Vater ist auf meiner Seite, doch meine Mutter hält es nach wie vor für eine gute Idee mich in eine Klinik zu stecken. Ich will nicht, das weiß sie, aber sie meint es würde helfen. Soll sie meinen.

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