WIRRWARR WAR MORGEN - GESTERN IST VORBEI. SEI LEISE DU SCHWEIGST ZU LAUT.

Donnerstag, 30. Juni 2011

Taub

Jeder von uns war schon einmal taub. Jeder von uns hatte Situationen oder Phasen in seinem Leben, in denen er lediglich das hören konnte, was er auch hören wollte. Man versucht den Verstand vor der Wahrheit zu verschließen und lässt die Ohren glauben, dass einzig und allein dass richtig ist, was man sich einredet zu hören. Anders weiß ich es nicht zu beschreiben, doch wenn man dieses Gefühl kennt, dann wird man es auch durch wenige Worte nachempfinden können. In jedem von uns, schlummert in gewisser Weise ein kleiner Rebell, der mit jedem Atemzug darauf wartet, wenigstens einmal zum Vorschein treten zu dürfen. Wir brechen Regeln, halten es für in Ordnung, was wir in diesem Moment sagen, tun, oder denken. Egal ob es richtig oder falsch ist. Es gibt in diesen Augenblicken kein "falsch". Konsequenzen werden irrellevant. Schuldgefühle werden ausgeblendet und erscheinen alles andere als wichtig. Man betäubt die Stimmen, die einen abhalten wollen und erstickt die Vernunft in den imaginären Kissen, die man sich gewaltsam auf die Ohren presst um sicher zu gehen, wirklich nichts hören zu können.



Ein Moment in dem mir die Worte fehlen. Ich weiß gerade selbst nicht so recht, was ich eigentlich ausdrücken möchte. Bin ich glücklich über den Vorfall? Hoffe ich auf weitere Folgen? Reichen mir die eindeutigen Signale, die mein Körper an mich sendet, noch nicht aus? Schwer zu sagen.
Um in die Verworrenheit aus Worten wenigstens etwas Klarheit zu bringen, fange ich wohl am besten mit dem gestrigen Morgen an, als sich besagter Vorfall zugetragen hat. Ich hatte, ausnahmsweise, mehr oder weniger gute Laune, wenngleich ich mir bewusst war, in nur wenigen Stunden das Haus zu verlassen. Ich war mit ihr verabredet, um in die Stadt zu fahren. Wir sehen uns so selten. Für sie, kann ich Opfer bringen. Mein Verstand spielt verrückt, macht mich wahnsinnig, wenn ich an all die Menschen da draußen denke, aber es ist für sie. Sie ist eine der Wenigen die mir geblieben sind - ich setzte sie nicht auf's Spiel. Aber wie dem auch sei - ich ging ins Bad. Umziehen und so weiter. Das alltägliche Nuttenfrühstück war getätigt und Zeit hatte ich an sich noch genug. Plötzlich dieses komische Gefühl im Ohr. Es tat weh, fühlte sich ein wenig danach an, wie wenn beim Schwimmen Wasser hinein gelangt. Ein seltsamer Druck, ein kurzes Piepen, welches nicht lange anhielt und ein Rauschen, dass mich ein bisschen an ein kaputtes Radio erinnerte. Erst dachte ich, es wäre vielleicht tatsächlich nur Wasser, doch an dem Q-Tip, den ich zur Hand nahm, befand sich Blut. Okay - alles klar. Keine Panik, wird schon werden. So wie immer alles "schon werden wird". Das dachte ich, weswegen ich erst einmal nicht weiter darüber nachdachte. Ich wollte den Tag abwarten. Vielleicht würde es von selbst verschwinden. Vielleicht, vielleicht, vielleicht.
Den Tag an sich habe ich ganz gut überstanden, auch wenn das seltsame Gefühl im Ohr nicht verschwinden wollte. Es fühlte sich an, als würde ich mir ein Kissen darauf drücken. Alles klang dumpf, weit entfernt und undeutlich. Ein bisschen mulmig war mir, aber ich wollte weiter abwarten. Sie machte sich Sorgen und ich versprach ihr, zum Arzt zu gehen, sobald ich zu Hause sein würde. Ich wollte vorher nur noch einmal mit meinen Eltern sprechen, die bei meinem Eintreffen allerdings nicht anwesend waren. Sie waren ins Kino gefahren und auch nicht auf dem Handy zu erreichen. Also weiter warten.
Nach einer gefühlten halben Ewigkeit, waren sie dann da. Knappe Worte und ab in die Notfallambulanz. Dort wurden wir allerdings direkt weitergeschickt in eine HNO-Klinik. Also wieder ins Auto - mein Vater fuhr mich - und weiter. Zugegeben, ich hatte wirklich Angst, da ich das Gefühl hatte von Minute zu Minute weniger zu hören. In der Klinik selbst musste ich dann auch nochmal etwa zwanzig Minuten warten, bis jemand Zeit hatte sich mein Ohr anzusehen und mir jegliche Vermutungen meiner Mutter zu bestätigen. Ein Hörsturz, wenn auch nur ein leichter. Genaue Ursachen, kann man dafür nicht festlegen. Vermutlich Stress. Auch eine leichte Verletzung im Gehörgang war vorhanden. Also? Q-Tips vermeiden, Stress vermeiden und ansonsten abwarten. Nach einer kurzen Behandlung war zumindest der seltsame Druck weg, das Rauschen nicht mehr so stark und etwas besser hören konnte ich auch wieder.

Und jetzt? Leichte Schmerzen sind noch da, aber er rauscht nicht mehr und sämtliche Geräusche meines Umfelds klingen weitgehend normal. Trotzdem fasse ich es nicht als Warnsignal auf, auch wenn Mum der Meinung ist, dass ich das sollte. Sie fragte mich ob mir das alles noch nicht reicht, um zu verstehen, dass ich Hilfe brauche. Ich muss nichts verstehen, denn ich habe verstanden. Doch das ändert nichts an meiner Einstellung, an meiner Angst oder Ähnlichem...

Freitag, 24. Juni 2011

Atme Nostalgie

Augen schließen sich. Das eigentlich vorhandene Farbenmeer, dass mittlerweile nicht mehr ist als graue Schleier, verschwimmen immer weiter. Dunkle, schemenhafte Masse. Und dann ist sie da. Die Erinnerung. Nostalgisches Seufzen. Der Lärm des vermeintlichen Lebens ist unerträglich. Der Kopf versucht zu träumen, doch Träume sind schon zu lange nicht mehr das, was sie sein sollten. Man denkt an Dinge die sich tief eingebrannt haben. Man verkrampft. Die schönen Momente werden ausgeblendet, verdrängt, verschluckt. Augen öffnen sich wieder. Panisches Blinzeln ins Leere. Man starrt an die Decke und sucht einen Ausweg. Man fragt sie "Wo war der Anfang?". Gab es ihn? Und wenn nicht, kann es dann überhaupt ein Ende haben? Was nicht begonnen hat, kann nicht enden. Oder doch? Ein dicker Kloß im Hals. Das Atmen fällt schwer. Übelkeit kommt auf und abermals schließen sich die Augen. Wach oder schlafend? Was denn nun eigentlich ..

Heute war der Geburtstag meiner Mutter. Anders als sonst war es trotzdem nicht. Geburtstage spielen, genau wie andere Festlichkeiten - beispielsweise Weihnachten - in meiner Familie keine große Rolle. Sie sind einfach vorhanden und schlussendlich doch nichts besonderes. Meine Eltern sind schon relativ früh aus dem Haus. Das Wetter war gut, anfangs zumindest. Sonnenschein, klarer Himmel, warm. Erst später hat es geregnet. Aber das stört die beiden nicht. Mich auch nicht, so lange ich den Regen von drinnen betrachten kann. Die Zeiten, in denen ich gerne im Regen spazieren gegangen bin, sind schon längst vorbei, allerdings liegt das nicht am Regen. Ich will einfach nicht nach draußen. Selbst wenn ich weiß, dass ich an Orte gehen könnte, an denen ich schon früher immer allein war. Ich hatte meine Ruhe. Niemand der mich anstarrt. Niemand der spricht, der fragt, der schweigt. Einfach niemand. Trotzdem will ich nicht. Dementsprechend hatte ich mich auch heute darauf eingestellt meinen Tag im Bett beziehungsweise vor dem Rechner zu verbringen.
Was das Geburtstagsgeschenk für meine Mutter angeht, war ich nicht sonderlich einfallsreich. Eine Leinwand, ein bisschen Farbe und mal eben versucht etwas zu Stande zu bringen. Eine brennende Schwalbe ist es geworden. Vielleicht nicht unbedingt das beste Geschenk, aber immerhin etwas eigenes - irgendwie persönlich. An sich auch ein annehmbares Motiv für's Tattoo. Aber das ist jetzt etwas anderes. Sie hat sich gefreut und darum ging es mir.

Wie erwähnt waren meine Eltern den halben Tag außer Haus. Ruhe hatte ich aber trotzdem nicht. Mal davon abgesehen, dass ich das ständig klingelnde Telefon gekonnt ignoriert habe, wusste ich nicht, dass meine Oma einen Zweitschlüssel für unsere Haustür besitzt. Wer auf die dämliche Idee kam .. na ja. Nicht, dass ich sie nie sehen wollte. Allerdings ist meine momentane Situation nicht das, was sie sehen will und das was sie fragt, nicht das was ich hören will. Sie fragt schlichtweg zu viel - alle fragen zu viel. Sie weiß nichts von der Schule. Sie jammert, dass sie ihren Freundinnen nichts über mich erzählen kann. Ich antworte "Nichts". Sie schaut schräg. Alles was ich mache, passt ihr nicht. Sie hasst meine Piercings, sie findet mich zu blass, sie findet mich zu dünn, sie findet mich zu düster, sie findet mich zu abweisend. Die Enkel ihrer Freundinnen sind alle so fleißig, so ordentlich, so freundlich. Eine jobt nebenher und hat sich dadurch jetzt ihren Führerschein finanziert. Die andere wurde von den Eltern, bei denen sie babysittet, auf eine Reise nach Australien eingeladen. Und was mache ich? Ich sitze hier und ersticke mich in Worten die kein Gehör finden, weil ich sie nicht aussprechen kann. Ich bin keine Vorzeigeenkelin - nimm das endlich hin. Immerzu setzt sie mich unter Druck. Als kleines Kind sah das nicht anders aus. Immer sollte ich die erste und beste sein. Alles was ich tat war gut, aber nicht gut genug. Überforderung. Und so setzt sich das fort. Ich weiß, dass sie das nicht böse meinte. Es war wahrscheinlich nicht einmal ihre Absicht, weil sie keine Ahnung hatte, was ihre Worte schlussendlich anrichteten. Damals wusste ich selbst noch nicht. Ich war zu jung um es zu verstehen, doch mittlerweile erkenne ich, was es aus mir gemacht hat. Ich habe mir Eigenschaften zugelegt, die sich so leicht nicht mehr los werden lassen. Aber sie weiß es nicht.


Wie dem auch sei. Meine Oma war ja glücklicher Weise nicht lange da. Vielleicht zwanzig Minuten, wenn es hoch kommt. Es kam mir trotzdem wie eine halbe Ewigkeit vor. Als meine Eltern wieder kamen, merkte meine Mutter irgendwie das ich niedergeschlagen war. Sagen wollte ich, wie so oft, nichts. Also habe ich meine Zeit totgeschlagen, bis wir schließlich essen gegangen sind. Ein bisschen Besonderheit muss man dann eben doch in einen Geburtstag bringen.
Mir war schon vor dem Essen schlecht. Mehr als einen Salat habe ich also nicht runter gebracht und ich war froh, möglichst schnell wieder zu Hause zu sein. Zumal wir auch fast wieder gestritten hätten. Mein Vater ist auf meiner Seite, doch meine Mutter hält es nach wie vor für eine gute Idee mich in eine Klinik zu stecken. Ich will nicht, das weiß sie, aber sie meint es würde helfen. Soll sie meinen.

Mittwoch, 22. Juni 2011

"Es fühlt sich an wie Warten auf das Ende.."

Immer noch. Man fragt mich, wieso ich ein Leben beenden will, dass noch nicht begonnen hat. Man hat doch nichts zu verlieren. Wieso nicht wagen? Wo ist die Neugier, wo der Wille und vor allem wo ist mein Weg. Gibt es ihn, gibt es ihn nicht. Eigentlich drehe ich mich doch nur im Kreis. Immer und immer wieder um die eigene Achse. Und wenn man dann stehen bleibt, verschwimmt die Welt vor den Augen. Alles ist unklar, wirr und ineinander verworren. Ein Dauerzustand? Ich denke, ja.


(original by meriirem @ deviantART)


Augen, verschwollen und von Schatten untermalt, das eigene Spiegelbild anstarrend. Gerötet, kein einfacher Rausch. Herzklopfen - nein, Herzrasen. In den Adern pocht ein Puls aus Stahl, alles ist unnatürlich. Knochige Hände stützen sich auf den Rand des Waschbeckens, vergraben sich anschließend in der zerzausten, schwarzen Mähne. Der Kopf senkt sich, die Augen verschwinden aus dem Spiegel. Immerhin schaut man sich selbst nicht mehr an. Ein Wimmern zerschneidet die Stille. Erst leise, dann gefolgt von einem lauten Schluchzen. Die Musik geht los. Viel zu laut. Aber es soll doch niemand hören. Niemand soll es sehen. Der Körper krümmt sich, ein stechender Schmerz zieht durch die Brust, stetig begleitet von stummen Schreien. Dann ist alles vorbei. Es klopft an der Tür, die Musik verstummt. Ein handrücken wischt die Tränen weg, dünne Finger streichen das T-Shirt glatt und zupfen die Haare zurecht. Ein aufgezwungenes Lächeln umspielt die Mundwinkel, die Tür geht auf. Alles scheint in Ordnung. Ein paar Stunden Ruhe vor dem Terror im Kopf. Oder ...?


Ich habe mich jetzt lange nicht gemeldet. Ich weiß auch nicht warum. Ich wollte, doch jedes Mal, wenn ich versucht habe etwas zu schreiben, kam etwas dazwischen. Meistens ich selbst. Da ich nun aber gestern mehr schlecht als recht meine zweite Stunde hinter mich gebracht habe, ist es wirklich an der Zeit für ein paar Worte.
Viel gesprochen wurde wieder nicht. Mehr von ihr, als von mir. Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet. Sie hat mich gefragt, ob ich schon einmal daran gedacht habe auszuziehen. Ob ich vielleicht eine Option darin sehe, etwas mehr auf mich gestellt zu sein. Sie meinte, dass macht in vielen Fällen "weniger depressiv". Natürlich habe ich schon daran gedacht, doch mir fehlen Mittel und Wege es umzusetzen. Sie fragte, was ich glaube wie lange meine Eltern das ganze noch mitmachen würden und sagte im gleichen Atemzug "Natürlich setzt man eine kranke Tochter nicht einfach so auf die Straße..."
Krank. Vor dieser Tatsache versuche ich schon seit Ewigkeiten die Augen zu verschließen und auch gestern musste ich feststellen, dass ich nach wie vor versuche mir anzureden, ich sei alles andere als krank. Ich will die Wahrheit nicht sehen und meinen Zustand nicht als krank ankzeptieren. Eigentlich weiß ich gar nicht was ich will und diesbezüglich wird mir auch kein Therapeut der Welt helfen können. Logischer Weise bin ich mir darüber im Klaren, dass ich Mitschuld daran trage, dass sich nichts ändert. Wenn man keine Hilfe will und jede ausgestreckte Hand nur mit einem müden Lächeln zurück weist, darf man nicht erwarten, dass eine Besserung einfach schlagartig eintrifft. Aber das tue ich ja auch nicht. Im Gegenteil. Wenn man es ganz genau betrachtet, warte ich lediglich auf den Knall der mir sagt, dass alles vorbei ist. Auch wenn es sinnlos ist darauf zu warten. Es kann morgen sein, oder in einer Woche, vielleicht aber auch nie. Man weiß es nicht. Motivation sich aufzuraffen ist nicht da und auch mein Umfeld mag nicht verstehen, dass ich den ganzen Kram mit Sicherheit nicht wegen mir mache. Mum bildet sich anscheinend immer noch ein zu wissen, was ich denke. Sie tut es nicht. Niemand. Manchmal weiß ich es selbst nicht, habe den Drang meinen Kopf einfach gegen eine Wand zu schlagen, damit es aufhört. Ich werde verrückt - wahnsinnig. Nichts was das Chaos hinter meiner Stirn stoppen kann. Ich komme mir vor wie eine Irre. Krank.

Ansonsten waren es gestern nicht ganz vierzig Minuten die ich aushalten musste und trotzdem kam es mir vor, als würde ich Stunden auf diesem Stuhl zubringen. Meine Knie haben gezittert und wie beim ersten Mal habe ich abwechselnd von der Decke zum Boden gestarrt und wieder zurück. Sie sagte zu mir, dass die Gespräche mit ihr nicht auf langfristige Zeit angesetzt sind. Ein bis zwei Termine, dann muss ich weiter. Sie sind dort nunmal eher auf Kinder und Jugendliche spezialisiert. Man wird mir nicht weiter helfen können, geschweige eine engere Bindung aufbauen können. Aber will ich das? Ich habe ihr gesagt, dass mich das nicht stört. Je schneller ich wieder allein sein kann, desto besser. Doch darauf kann man es nicht beruhen lassen - das sagte sie auch. Sie hat mir Adressen gegeben, an die ich mich wenden kann, doch alles, was auf meinem Zettel steht, sind Kliniken die nur stationär behandeln. Und genau das will ich nicht. Ich will mich nicht von meinen, zwar verhassten, aber dennoch vertrauten vier Wänden trennen. Dann habe ich nichts mehr, was mir in irgendeiner Art und Weise Rückhalt gibt. Mich wird nichts mehr schützen.

Nachdem das Gespräch zu Ende war, wollte sie noch einmal mit meiner Mutter reden. Fünf Minuten, mehr nicht. Ich bin im Gang auf und ab gelaufen. Das Zittern wollte ich aufhören und ich hatte das Bedürfnis zu schreien. Mum kam nach draußen, irgendwie komisch. Und was bekomme ich auf dem Weg zum Auot gesagt? Ich soll zum Arzt. Mich durchchecken lassen. Sie haben meinen BMI ausgerechnet der momentan, bei etwa 16,5 liegt. Ab einem BMI von 18, kann man eingwiesen werden. Na wunderbar. Noch eine Baustelle, mit der ich mich nicht befassen will. Magersucht, hat sie gesagt. Ich bin aggressiv geworden, auch wenn ich es nicht wollte. Nein, kam es von mir. Ich bin nicht magersüchtig. Aber eine Essstörung. Na wenn du meinst. Es hängt doch ohnehin alles irgendwie zusammen. Doch nun habe ich mehr und mehr das Gefühl, dass man mich abschieben will, auch wenn ich weiß, dass es im Grunde nicht so ist. Sie ist ratlos, will nur, dass mir geholfen wird. Sie will, dass ich wieder lachen kann und weiß selbst nicht weiter. Deswegen sucht die Rat bei anderen. Anderen vor denen ich mich noch mehr verschließe. Ich werde mir immer selbst im Weg stehen, dass brauch man mir nicht zu sagen. Ich lasse es nicht zu, dass in meine Dunkelheit auch nur ein Lichtfunke strömt. Ich verschließe alles.

Donnerstag, 9. Juni 2011

Monoton.

Langsam heben sich müde Lider, werfen einen zaghaften Blick auf den Wecker neben dem Bett, ehe sie sich wieder schließen. Ein kurzatmiges und dennoch tiefes Seufzen zerschneidet die Stille des Raumes, bevor die Decke mühsam zurück geschlagen wird und nackte Füße den grauen Teppichboden berühren. Lautlos bewegen sie sich fort, schleichen langsam zur Tür, deren Klinke mit Mühe, von einer dünnen Hand, nach unten gedrückt wird. Der Weg durch den endlos scheinenden Flur wird forgesetzt, bis hin zur Treppe, über ihre eisigen Stufen und schließlich nach unten in die Küche. Es ist noch früh - zu früh. Ein kurzer Griff nach einer Tasse aus dem Schrank, dann nach der Kaffeekanne, ehe die Füße den Weg zurück nach oben antreten. Genauso lautlos, genauso unbemerkt. Zurück im Zimmer, welches von der aufsteigenden Sonne des Tages abgeschottet ist, wird sich auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch nieder gelassen. Nach wie vor ist es still. Das Geräusch des Kaffees, wenn er aus der Kanne in die Tasse fließt, erscheint viel zu laut. Eine zögerliche Handbewegung zur Zigarettenschachtel. Sie ist fast leer. Der Computer wird gestartet, das Licht des Monitors sticht grell in den verschlafenen Augen. Immer und immer wieder, wandert der Blick verzweifelt zur Uhr unten im Bildschirm. Die Zeit will einfach nicht vergehen. Es fühlt sich an, wie warten auf das Ende...



Wir haben jetzt 07.23Uhr, dass heißt ich bin bereits schon wieder eine Stunde auf den Beinen. Ich fühle mich schlecht, weil ich am Mittwoch nichts habe von mir hören lassen, doch ich war zu aufgewühlt und zu verwirrt, als das ich dazu im Stande gewesen wäre auch nur einen klaren Satz zu verfassen. Im Prinzip, war es ja nicht meine erste "ertse Therapiestunde", doch ich musste wieder einmal feststellen, wie sehr ich besagte erste Stunde hasse. Mal davon abgesehen, dass ich die Nacht zuvor nicht schlafen konnte, wollte auch der Vormittag nicht wirklich vorbei gehen. Ich habe nahezu darauf gewartet, dass irgend etwas passiert, sodass ich nicht mehr hingehen muss, doch alles was mir blieb war Zeit totschlagen. Ich wusste nicht, was ich mit mir anfangen soll. Zuerst lag ich nur im Bett, bin schließlich doch aufgestanden, als ich dachte ich hätte ein paar Stunden im Halbschlaf bewältigt. Pustekuchen. Es waren vielleicht zehn Minuten die ich so überstanden habe, bevor die elende Warterei wieder losging. Also was tun? Ich hatte nichts womit ich mich beschäftigen wollte, oder eher gesagt konnte. Meine Gedanken waren so wirr, dass ich mich nicht mal darauf konzentrieren konnte etwas zu lesen. Einen Bleistift habe ich schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr in die Hand genommen. Zeichnen zur Ablenkung war also auch keine Option. Irgendwann war es dann endlich spät genug, um ins Bad zu gehen, unter die Dusche zu hüpfen und mich fertig zu machen. Ich habe am ganzen Körper gezittert und mich so unwohl in meiner Haut gefühlt, wie schon lange nicht mehr. Der spätere Weg zum Auto war eine Qual, da es den Anschein hatte, als hätte mein Körper sich gegen mich verschworen. Meine Füße fühlten sich an wie Blei und jeder Schritt war unheimlich schmerzhaft. Im Auto selbst, war es ein kleines bisschen besser. Ich habe versucht meine Gedanken abzustellen und hätte am liebsten eine Zigarette nach der anderen geraucht. Die besorgten Blicke meine Mutter hingegen, machten alles wieder schlimmer. Ich wollte nicht dass sie mich so sieht und doch war ich auf der anderen Seite froh, dass sie mich begleitete. Nach fünfundzwanzig Minuten Fahrt waren wir da. Mein Herz hat so schnell geschlagen, dass ich das Gefühl hatte, es könnte mir jeden Moment den Brustkorb zersprengen. Ich wollte schreien, weinen und wegrennen und das am liebsten alles gleichzeitig, auch wenn ich mir bewusst war, dass das nicht geht.

Zu der Therapiestunde selbst kann ich nicht wirklich viel sagen. Ich hege eine gewisse Unsympathie gegen diese Frau, auch wenn wir noch nicht wirklich miteinander gesprochen haben. Das ganze ging schließlich auch nur dreißig Minuten, doch es kam mir vor wie eine halbe Ewigkeit. Die meiste Zeit habe ich den Boden oder die Wand angestarrt. Ich habe es nicht geschafft ihr in die Augen zu sehen. Logischer Weise lässt sich von so einer ersten Stunde ohnehin nicht wirklich etwas sagen, vor allem dann nicht, wenn man über kaum etwas gesprochen hat. Ich habe ihr gesagt, wie unangenehm es mir ist, über mich selbst zu sprechen, selbst wenn es nur Kleinigkeiten wie beispielsweise meine Meinung zum Wetter sind. Sie hat mehr geredet als ich, doch alles was sie sagte, war für mich nichts neues.
"Du errichtest eine Mauer um dich und lässt es nicht zu, dass irgend jemand diese durchbricht." - Ja, ich weiß.
"Du bist voreingenommen und deine Vorurteile lassen es nicht zu, dass du dich für neue Dinge öffnest." - Ja, ich weiß.
"Wenn du dich nicht öffnest und somit signalisierst, dass du nicht möchtest, dass man dir hilft, dann wird man dir auch nicht helfen können." - Ja, ich weiß es verdammt ...

Man brauch mir nicht immer und immer wieder vorhalten, was für ein Mensch ich bin - so weit war ich auch schon. Mir ist bewusst, dass ich eine Haltung einnehme, in der man mir nicht helfen kann, weil ich mich vor der Hilfe selbst verschließe. Ich möchte niemanden an mich heran lassen, weil Erinnerungen mich zurück halten. Sie machen es mir nicht möglich mich zu öffnen.

Lebend in der Vergangenheit - Gefangen in der Gegenwart - Fliehend vor der Zukunft.

Sie sagte zu mir, dass in meinem Falle wohl sogar eine stationäre Behandlung notwendig sei, was mir einen schweren Hieb in die Magengegend versetzte. Er fühlte sich an wie ein innerlicher Zusammenbruch. Ich will das nicht. Tränen stiegen langsam in mir auf und ich starrte weiterhin auf den Boden, da ich nicht wollte, dass sie das sieht. Im gleichen Atemzug fragte sie nach dem nächsten Termin. Sie fragte, ob ich das fortführen, oder ob ich erst noch eine Nacht darüber schlafen wolle. Wie gerne hätte ich nein gesagt. Doch dann hatte ich das unglückliche Gesicht meiner Mutter vor Augen. Ich konnte sehen wie sie weinte. Und in diesem Moment wurde mir eine Sache schlagartig bewusst. Ich tue das alles nicht für mich, sondern für sie ...

Wir mussten danach noch durch die Stadt laufen. Mein Dad hatte uns hingefahren, also mussten wir mit dem Zug oder Bus zurück. Die meiste Zeit schwiegen wir uns an, denn ich denke sie wusste genau, dass ich nicht reden wollte. Ich habe noch schnell Zigaretten gekauft und bin mir ihr zur Bank gelaufen. Ich möchte gar nicht wissen, was für einen gehetzten Eindruck ich gemacht habe. Ich habe mich ständig panisch umgesehen, mich so beobachtet und verfolgt gefühlt. Es war grausam. Der Drang einfach loszurennen war da, doch wohin hätte ich rennen sollen? schließlich bin ich in den erstbesten Bus nach Hause eingestiegen. Sie ist noch in der Stadt geblieben, weil sie Bus fahren hasst und deswegen mit dem Zug zurück wollte. Wie immer hat sie mich gefragt, ob es auch wirklich in Ordnung für mich wäre und ich habe nur gelächelt und gesagt es sei alles okay.

Montag, 6. Juni 2011

Angst

Wie ein milchiger Dunst der mir die Sicht verschleiert, legt sie sich langsam um meinen Körper. Schleichend, aber Stück für Stück ergreift sie von mir Besitz - verschlingt mich regelrecht - die Angst.
Ich kann mich nicht losreißen, mich ihr nicht entwinden oder entkommen. Ich kann sie nicht einmal verdrängen. All das, von dem ich glaubte, dass er mir wenigstens einen fahlen Lichtschimmer schenken würde, beweist mir wieder einmal das genaue Gegenteil. Die Tage werden dunkler und dunkler wird auch meine Seele. Ich weiß, dass ich an mich glauben müsste, um die Zeit, die mir nun bevorsteht, ansatzweise zu überstehen, aber ich kann es nicht. Am Mittwoch habe ich meinen ersten Therapietermin und das mulmige Gefühl in meiner Magengegend wird von Sekunde zu Sekunde stärker. Ich habe versucht einfach nicht daran zu denken, doch je näher die Stunde der Wahrheit rückt, umso schlimmer wird es. Ich kann nicht mehr schlafen, bin körperlich anwesend, im Geiste jedoch weit, weit weg. Ich möchte nicht schon wieder scheitern. Nicht dieses Mal. Ich würde meinen Mitmenschen so gerne all das Leid ersparen, dass ich ihnen mit meiner Krankheit zumute. Ich weiß, dass es mit mir nicht einfach ist. So vieles haben sie schon mit mir durchmachen müssen, obwohl ich niemals um Hilfe gebeten habe. Ich habe nie gefragt, sondern alles stumm in mich hinein gefressen, ohne das man deutlich etwas von meinen seelischen Schmerzen mitbekommen hätte. Und nun, wo es längst zu spät für Worte und Erklärungen ist, fühle ich mich so hilflos wie nie zuvor in meinem Leben. Ich kämpfe mit der Schuld, die sich meine Mutter selbst zuspricht, wenn sie sich fragt, was sie falsch gemacht hat. Ich leide, wenn sie leidet. Denn je größer ihre Vorwürfe gegenüber ihr selbst werden, desto stärker wird auch mein schlechtes Gewissen. Ich habe das Gefühl überflüssig zu sein. Ich komme mir vor, wie die Tochter, die sie niemals haben wollten. Vollkommen aus der Bahn geworfen. Wie oft habe ich auf einen Menschen gehofft, der mich ohne Worte versteht. Jemanden, dem ich nicht mein komplettes Herz ausschütten muss, damit er versteht, was in mir vorgeht. Die Suche war vergebens und zu allem Überflüss wird man nun von mir verlangen, dass ich mich öffne. Ich habe die Frau, bei der ich in Therapie gehen soll, bereits kennen gelernt und schon die erste Begegnung, die nicht mehr als ein Händeschütteln beinhaltete, war schrecklich genug für mich. Ich konnte ihr nicht einmal richtig in die Augen sehen, geschweige denn mehr als ein "Hallo" über die Lippen bringen. Wie soll das alles funktionieren?

Die Angst davor, mit Menschen in Kontakt zu treten, lässt durch meine Isolation logischer Weise nicht nach. Auch das ist mir alles schon bewusst. Doch ich fühle mich einfach unwohl in meinem Körper. Sobald ich auch nur einen Fuß vor die Tür setze, fühle ich mich schrecklich beobachtet. Übelkeit steigt in mir auf und ich komme mir vor, als würden tausend Blicke auf mir lasten. In den meisten Fällen würde ich am liebsten sofort wieder umkehren, was ich eine Zeit lang ja auch getan habe. Ich habe die Schule nicht umsonst abgebrochen. Jeden Morgen, wenn ich aus dem Zug ausgestiegen bin, habe ich einfach das Gleis gewechselt und bin auf schnellstem Wege zurück nach Hause. Am Liebsten wäre ich im Boden versunken. Mein ganzes Leben wird durch Angst beeinflusst. Nichts läuft mehr ab wie zuvor. Ich habe die letzten Jahre damit verbracht, mich immer weiter zurück zu ziehen und von meinen Mitmenschen abzuschotten, sodass ich vergessen habe, was Leben eigentlich wirklich bedeutet. Das Gefühl glücklich zu sein, ist mir fremd. Selbst wenn ich lache, ist das alles nur Routine - alles nur gespielt. Keinerlei Wahrheitsgehalt und von Minute zu Minute bin ich weniger ich selbst. Ich habe viel Zeit vergeudet. Habe meine Teenagerdasein so zu sagen aufgegeben und bin schließlich zu dem geworden, was ich jetzt bin. Ich befinde mich auf dem Grund, kein Sog vorhanden, der mich nach oben tragen könnte. Hin und wieder würde ich die Zeit gerne zurück drehen um all die Momente die ich verloren habe noch einmal - sinnvoll - zu leben. Doch was wäre sinnvoll? Würde ich wirklich alles anders machen, wenn ich noch einmal die Chance dazu bekommen würde? Ich weiß nicht einmal wie es weiter gehen soll. Das wusste ich noch nie. Ich habe bisher nichts gefunden, was mich wirklich begeistert hätte, oder etwas, worin ich wirklich Talent gehabt hätte. Irgend etwas, an das ich mich klammern kann. Mein Kopf ist einfach leer und ich weiß nichts mit mir anzufangen. Wie gerne ich einfach die Augen schließen würde...

Donnerstag, 2. Juni 2011

Vergessen

(original by zemotion @ deviantART)
Am liebsten irgendwo, nur nicht hier. Ich fühle mich vergessen, liegen gelassen und doch muss ich mir eingestehen, dass es wohl meine eigene Schuld ist. Vielleicht hätte ich nachdrücklicher sein sollen. Vielleicht hätte ich es einfach früher noch einmal ansprechen sollen - deutlich. Vielleicht habe ich mich nicht richtig geäußert und jetzt sitze ich hier, abgedunkelt und allein. Ich weine, weil ich mir nicht anders zu helfen weiß. Mum sagte, ich solle auf mich aufmerksam machen. Mum sagte, ich solle ihr zeigen, wie sehr ich sie wirklich brauche, dann wäre es vielleicht alles ganz anders. Zudem hat sie mir ja angeboten, mich einfach seperrat zu fahren, doch ich habe nein gesagt. Ich wollte nicht wieder das fünfte Rad am Wagen sein, so wie letztes Jahr. Ich habe mich so unnütz und überflüssig gefühlt, dass ich den Großteil der vier Tage nicht einmal ansatzweise die Chance hatte, etwas abzuschalten. Ich habe alles in mich reingefressen - wieder und wieder und nun bestätigt sich mir wieder einmal, zu was das führt. Ich hasse es, ich hasse mich dafür. Ich kann einfach nicht auf Hilfe eingehen, weil der Drang - alles allein schaffen zu müssen - einfach zu groß ist. Ich sage mir immer, dass ich das schon schaffen werde. "Du stehst da drüber!", sagt mir die beschissene Stimme in meinem Kopf, die es nicht zulässt, dass ich mich öffne. Ich kann nicht einfach zeigen wie schwach ich eigentlich bin. Sie weiß zu wenig, obwohl sie mehr wissen müsste. Das sagt auch Mum natürlich auch immer wieder. Leider versteht sie dabei nicht, wie schwer mir das ganze fällt. Ich bemühe mich ja schon. Das mit der Therapie wird wahrscheinlich auch wieder ein Schuss nach hinten, dass ahne ich irgendwie. Ich hatte ja kurzzeitig die Hoffnung, dass ich dieses Jahr bessere vier Tage haben würde, aber da habe ich mich wohl mehr als getäuscht, da ich besagte Tage ja wieder einmal zu Hause verbringen werde. Ich will niemanden sehen, will nicht nach draußen und habe einfach nur das Bedürfnis zu schlafen. Augen zu und weg - einfach so, bitte sofort. Natürlich würde ich damit nichts aus der Welt schaffen, aber ich würde vielleicht für einen kurzen Moment vergessen. Mich vergessen, so sehr, wie ich mich gerade fühle...